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Architektur

1. Konzept

Architektur / Funktion

Forms follows function
Louis Sullivan

Das Hallenbad in Stadtallendorf befindet sich an prominenter Stelle. Ursprünglich auf der „grünen Wiese“ geplant, bildet es mittlerweile das Zentrum des stark gewachsenen Stadtkerns, umgeben von Fußgängerzone und Einkaufsmärkten, in direkter Nachbarschaft zur Herrenwaldveranstaltungshalle und dem Gemeindezentrum. Der Stadtrat tat gut daran an diesem Standort festzuhalten und den städtebaulichen Akzent neu zu definieren und aufzu-werten. Die bestehenden Parkplätze, die fußläufige Anbindung zu allen entscheidenden städtischen Einrichtungen und die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz bilden ein zu-kunftsträchtiges Fundament für diesen Standort.
Wie bei allen unseren Projekten entwickelt sich die Architektur aus der Funktion. Grundlage ist ein stimmiges Konzept, welches die Bedürfnisse der Benutzer erfüllt. Dieses wird in einem Raumprogramm definiert, aus dem sich schnell gewisse Nutzungsbereiche ergeben.
Diese Bereiche müssen wiederum so gegliedert werden, dass logische Funktionszusam-menhänge entstehen. Da es sich bei diesem Projekt um eine bestehende Anlage handelte, war zunächst zu klären, welche Bereiche des Bestands erhalten werden können und welchen es nicht mehr sinnvoll ist. In der Regel ist an Hand von Voruntersuchungen möglich und einschätzbar, welche Teile schon alleine aus baulichen und technischen Gründen erhalten oder ausgetauscht werden müssen. Zusätzlich ist der Flächenbedarf zu prüfen und mit den bestehenden Flächen abzugleichen. In unserem Falle war es sinnvoll und auch möglich, das Gebäude in seiner Kubatur etwas zu vergrößern. Die heutigen Ansprüche an Bäder gehen weit über die Ansprüche der Entstehungszeit in den 70er Jahren hinaus. Damals wurden Bäder in erster Linie als Schulungs- und Sportstätten gebaut. Erst viel später entwickelte sich das Bedürfnis der Besucher nach Freizeit- und Wellnesseinrichtungen.


Eingangsbereich und Gastronomie
Eingänge müssen einladend und freundlich sein – Barrieren jeglicher Art sind – nicht nur wegen Menschen mit Handicap – zu vermeiden. Das Eingangsfoyer soll Treffpunkt sein und große Aufenthaltsqualität aufweisen. Wichtig sind Einblicke in das Gebäude, so dass sich Besucher nicht nur leicht orientieren, sondern auch das gebotene Angebot wahrnehmen können. Der Besucher sollte nicht um Ecken und Kanten geführt werden. Klare Linien und Sichtachsen unterstützen die erste Wahrnehmung.
Die Gastronomie muss interne (Badegäste) und externe Besucher versorgen, sowie Stra-ßenverkauf ermöglichen. Nur wenn die Gastronomie dies in Verbindung mit einer automa-tengestützten Kassenfunktion erfüllt, ist eine Wirtschaftlichkeit für einen externen Pächter darstellbar.

Eltern-Kind-Bereich

Der Eltern-Kind-Bereich soll ausreichend Aufenthaltsqualität für Eltern und Großeltern bieten, sowie nahe der Gastronomie liegen. Im Alldomare ist dieser nur durch eine raumhohe Glaswand von der Gastronomie getrennt und diese gibt einen großzügigen Einblick in die Schwimmhalle, insbesondere auf das Kinderbecken und das Springerbecken. Vom Eltern-Kind-Bereich sollte die gesamte Badelandschaft übersehen werden können, damit Eltern – und Begleitpersonen – Kinder in unterschiedlichem Alter und somit oft mit unterschiedlichen Interessen beaufsichtigen können. Das wenig Volumen bei großer Oberfläche aufweisende Kinderbecken sollte nur in den Nutzungszeiten befüllt sein. Somit wird erhebliche Verduns-tungsenergie sowie Lüftungsenergie eingespart. Das Kinderbecken ist zweistufig ausgeführt und folgt dem Thema „Piraten“. Eine Rutsche, ein Schiffchenkanal und eine Wasserspritze sind die Attraktionen für die jüngsten Besucher. Bequem und komfortabel für die Eltern: In direkter Nähe befindet sich ein Kinder WC mit Wickelmöglichkeit.

Beckenlandschaft

Die Beckenlandschaft war bereits im Bestand schon funktional und gut gegliedert und konnte auch aus diesen Gründen gut weiterverwendet werden. Um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, wurden die Beckenumgänge zur Parkplatzseite um höher angeordnete Liegedecks erweitert. Im Zentrum dieses Podestes befindet sich die neue Schwimmmeisteraufsichtskabine, die wegen der Blendung / Spiegelung der Wasseroberfläche bewusst auf die Fassadenseite verlegt wurde. Sie stellt sich als eine in die Verglasung geschobene „Holzkiste“ dar, die auch von außen deutlich als eine Markierung erkennbar ist.

Stiefelgang - Umkleiden – Duschen
Die Anordnung der Umkleiden entlang des Stiefelgangs stellt eine übersichtliche und flä-chenoptimierte Lösung dar und folgt im Prinzip der Bestandssituation, wenngleich auch hier eine Erweiterung um die Breite der bestehenden Einbringschächte vorgenommen wurde. Die Schränke senkrecht zwischen Umkleiden und Duschen stellen verkehrsflächenoptimierte und sehr übersichtliche Anordnungen dar, die eine hohe soziale Kontrolle gewährleisten. Die Duschen und WC`s bilden den Kern und somit den Übergangsbereich zur Schwimmhalle. Das Bad verfügt neben den üblichen Herren- und Damenumkleidezonen auch über zwei Sammelumkleiden und eine direkt zur Kasse und in Schwimmhalle orientierte Behinderten-umkleide. Das Gestaltungskonzept ist bewusst in unterschiedlichen maritimen Farben ange-legt.

Attraktionen
Das Hallenbad bietet die gewohnten Eigenschaften eines Sport- und Lehrschwimmbades, wurde aber um einige Attraktionen erweitert. Neben den bereits beschriebenen Liegedecks, die zum Verweilen einladen, werden ein textiles Dampfbad und ein Whirlpool angeboten. Die zusätzlich eingebaute Beckenbeleuchtung ist stufenlos farbig regelbar und verschiedenste Lichtszenarien sind möglich. Die bereits im alten Bad beliebte Sprunganlage wurde erhalten und neu gestaltet.

Vereinsräume
Im Kellergeschoss des Gebäudes befinden sich zwei große Vereinsräume. Diese sind durch ein externes Treppenhaus auch für die Benutzung außerhalb der Betriebszeiten konzipiert. Die durch die Erweiterung des Stiefelgangs geschaffenen Lufträume gewährleisten eine na-türliche Belichtung der großflächig verglasten Räume.

Personalbereich
Die Personalbereiche sind in dem zum Gemeinschaftszentrum orientierten Gebäudeteil untergebracht. Hier finden sich auch der Anlieferungsschacht für die im Kellergeschoss untergebrachte Technik, die Chlorgasräume, der Sanitätsraum und das textile Dampfbad. Die zu-gehörigen Umkleiden sind im Keller untergebracht.

Tragwerk
Das aus Stahlbeton-Fertigteilen bestehende Tragwerk wurde betonsaniert und somit erhalten. Die Trapezblechschale durch c5 beschichtete Akustiktrapezbleche ersetzt und das Dach mittels aufgesetzter Stahlkonstruktion neu aufgebaut. Auf die ursprüngliche Abhangdecke wurde verzichtet und die Stahlbeton-Binder freigelegt, was eine deutlich großzügigere Halle erzeugt. Das Bad wurde mit Dachüberständen versehen, die den störenden sommerlichen Lichteinfall der sehr transparenten Glasfassade eindämmt und auch einen konstruktiven Schutz der Außenhüllen gewährleistet. Die erhöhte Halle des Springerbeckens wurde um die gesamte Breite des Gebäudes erweitert und bietet somit den nötigen Platz für die umfangsreiche Lüftungstechnik. Generell wurde darauf Wert gelegt, die Baukörper auf zwei Hauptvolumen zu beschränken und mit nur zwei Dachniveaus zu arbeiten.

Lagerflächen
Durch den Lastenaufzug können Verbrauchschemikalien einfach und sicher in den Kellerflächen verbrauchsnah eingelagert werden. Durch im Beckenumgang eingelassene Bodenhül-sen zur Versenkung der Schwimmleinen kann wertvolle Abstellfläche im Erdgeschoss redu-ziert werden und die in weiten Teilen ungenutzte Kellerfläche besser genutzt werden. Zudem werden lange Transportwege vermieden. Rückseitig zum Springerbecken wurden weitere Abstellräume für den täglichen Bedarf an Lehrmaterialien und Vereinsutensilien angeordnet.

Technik
Technisch gesehen ist das Hallenbad ein Neubau. Wasser-, Lüftungs,- Heiz-, Sanitär- und Elektrotechnik wurden komplett erneuert und aufgebaut. Die dazu notwendigen Aufstellflä-chen befinden sich neben dem Lüftungsanbau im Keller des Gebäudes, der ebenso vom be-stehenden Bad weiterbenutzt wurde.

2. Gestaltung

Architektur / Gestaltung

Ziel war die Gestaltung eines zeitlosen und eleganten Bades, das die kommenden 25 Jahre ohne optische oder modische Abnutzung übersteht. Die Materialien der Fassaden sind hochwertig in Stahl, Glas, beschichteten Aluminium und holzfunierten HPL Platten ausgeführt. Die Fußböden mit Feinsteinzeug in klassischer Natursteinanmutung. Das Farbkonzept folgt einem maritimen Ansatz, der durch die grafisch sehr prominent in der Hallenwand dargestellten Walgrafiken unterstützt wird. Die Architektur verzichtet auf reißerische Posen und stellt nach Außen dar, was es im eigentlichen Kern ist. Ein Bad, dessen Hauptattraktion das für alle sichtbare Wasser selbst ist.

 

Dipl. Ing. Architekt Andreas Schmidt